Arbeitspaket 5: Marktmodelle und Ordnungsrahmen

Status: Abgeschlossen

Virtuelle Flächenkraftwerke, die es ermöglichen, dezentrale Erzeugungsanlagen sowie flexible Lasten beispielsweise im industriellen Sektor, gezielt anzusteuern und als regional aggregierte Einheit dem Stromversorgungssystem systemdienlich zugänglich zu machen, werden zunehmend auch lokal einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung bzw. auch Wiederherstellung von Versorgungssicherheit leisten müssen. Für ein virtuelles Flächenkraftwerk eröffnen sich dabei verschiedene Aufgabenfelder, die beispielsweise die Bereitstellung von Systemdienstleistungen wie Blindleistung und Schwarzstartfähigkeit mithilfe der gebündelten Kapazitäten umfassen. Außerdem kann ein vkw++ einen Beitrag zur Bewirtschaftung von Engpässen leisten, indem diese frühzeitig identifiziert und durch die eingebundenen Flexibilitäten lokal behoben werden können.

Während es in den anderen Arbeitspaketen des QUIRINUS-Projekts vornehmlich darum geht, die technischen Fähigkeiten des vkw++ hinsichtlich der Erbringung der o.a. Dienstleistungen zu entwickeln und zu demonstrieren, befasst sich das AP5 mit der Einbettung eines solchen Flächenkraftwerks in den marktlichen und regulatorischen Rahmen der Energiewirtschaft. Eine solche Analyse ist notwendig, da die angeführten Dienstleistungen in den derzeitig bestehenden Marktstrukturen kommerziell noch nicht berücksichtigt sind: Entsprechende Anreiz- und Vergütungsstrukturen fehlen bislang.

Ziel des AP5 ist daher die Analyse der bestehenden Markt- und Ordnungsstrukturen mit Blick auf den ökonomischen Handlungsspielraum des vkw++ bei der Erbringung der o.g. Dienstleistungen. Hierbei werden die ökonomischen Potenziale bezüglich des volkswirtschaftlichen Nutzens sowie des betriebswirtschaftlichen Kalküls vor dem Hintergrund der bestehenden regulatorischen Bestimmungen analysiert. Dabei werden auch potenzielle Hemmnisse im Marktdesign, die das vkw++ oder einzelne darin verbundene Anlagen daran hindern, ihre Flexibilität bereitzustellen, identifiziert und diskutiert.

Die Arbeiten des AP5 gliedern sich in drei grundsätzliche Arbeitsschritte. Die modellgestützte volkswirtschaftliche Systemanalyse, die Berechnung betriebswirtschaftlicher Potenziale des vkw++ und die qualitative Analyse des bestehenden Ordnungsrahmens zur Identifikation des Handlungsbedarfs bezüglich des zukünftigen Regulierungsdesigns.

Quantitative Analyse der ökonomischen Potentiale:

  • Volkswirtschaftliche Systemanalyse: Für eine beispielhaften Analyse des volkswirtschaftlichen Nutzens eines vkw++ werden die Rückwirkungen des vkw++ auf das Gesamtsystem simuliert. Im Rahmen des QUIRINUS-Projektes wurde hierzu das bestehende DIMENSION-Strommarktmodell des EWI um eine hochaufgelöste DC-Lastflussrechnung für das deutsche Übertragungsgebiet erweitert. Im Modell fungiert das vkw++ als gebündelte Flexibilität und kann zur Bewirtschaftung von Übertragungsnetzengpässen beitragen. So wird ermittelt, welchen Beitrag Flexibilität aus den Verteilnetzen auf Systemebene, d.h. im Höchstspannungsnetz, potenziell leisten könnte. Darüber hinaus wird mithilfe des Modells die Bedeutung von Größe, Anlagenportfolio und Verortung des vkw++ analysiert.

  • Betriebswirtschaftliche Analyse: Neben dem volkswirtschaftlichen Nutzen ist die Analyse der betriebswirtschaftlichen Potenziale elementarer Bestandteil der Einordnung des QUIRINUS vkw++ in das Marktdesign. Hierzu wird mithilfe des EWI-Modells EASE, welches eine betriebswirtschaftliche Optimierung von Anlagen gegen gegebene Preiszeitreihen berechnet, die Fahrweise des QUIRINUS vkw++ simuliert. Die Analyse bezieht sich dabei auf bereits im Marktdesign verankerte Handlungsfelder wie die Bereitstellung von Regelleistung und den flexiblen Kurzfristhandel (Intraday). So kann eine erste Abschätzung der Erlöspotenziale getroffen werden. Außerdem geben die Erlöse Aufschluss über nötige Vergütung für andere durch das QUIRINUS vkw++ zu erbringende Dienstleistungen, da sie als Opportunitätskosten das betriebswirtschaftliche Kalkül bestimmen.

Qualitative Analyse der Anforderungen an das Regulierungsdesign der Zukunft:

In diesem Arbeitsstrang wurde die Regulierungslandschaft mit Blick auf die Anreize für die Nutzung von dezentraler Flexibilität untersucht. Dabei wurden konkrete Hemmnisse für Flexibilität (Bereitstellung durch Netznutzer sowie Abrufe durch VNB) identifiziert. Auf dieser Basis werden Anforderungen an die Regulierung der Zukunft abgeleitet.

In einem ersten Schritt wurden mithilfe einer umfassenden Literaturrecherche verschiedene Flexibilitätsoptionen und Akteure im Verteilnetz, die für eine Teilnahme am vkw++ in Frage kommen, identifiziert. Im Zusammenhang mit diesen regionalen/dezentralen Flexibilitätsoptionen wurde eine ausführliche Hintergrundrecherche zu den relevanten Anreizstrukturen, Marktmodellen und regulatorischen Fragestellungen durchgeführt.

Auf Basis dieser qualitativen Analyse wurde eine Reihe von Diskussionsworkshops mit Vertreterinnen und Vertretern der Projektpartner abgehalten und die Analyseergebnisse mit Blick auf das Projekt konkretisiert: Es wurden regulatorische Hemmnisse identifiziert und mögliche Anpassungen des Ordnungsrahmens diskutiert.

  • Workshop 1 „Identifikation von Hemmnissen“: Anhand von drei vom EWI entwickelter Kriterien wurden die erarbeiteten regulatorischen Hemmnisse in Zusammenarbeit mit den Workshop-TeilnehmerInnen und ProjektleiterInnen bewertet. Die Kriterien waren:

    • Relevanz für Quirinus: Wie relevant ist das Hemmnis für den konkreten Anwendungsfall vkw++?
    • Gehemmtes Potenzial: Wie viel Potenzial (insbesondere welche Leistung) wird an der Teilnahme gehemmt?
    • Komplexität der Hemmnisbeseitigung: Wie komplex ist die Beseitigung des Hemmnisses?

Die als besonders relevant bewerteten Hemmnisse sind in Abbildung 1 aufgeführt.

Hemmnis

  • Workshop 2 „Anreize für regionale Flexibilität“: Für diesen Workshop hat das EWI eine ökonomische Analyse zu den wesentlichen Anreizen für regionale Flexibilitätsbereitstellung sowie mögliche Koordinationsmechanismen für die Bereitstellung und Nutzung von regionalen netzdienlichen Flexibilitätsoptionen erarbeitet. Der Fokus lag dabei auf der Nutzung regionaler Märkte („Flexibilitätsmärkte“), um die nötigen monetären Anreize zu generieren. Die Diskussion der Analysen mit den ProjektpartnerInnen während des Workshops lassen sich wie folgt zusammenfassen:

    • Regionale Märkte können potenziell ein regionales Preissignal mit Bezug auf Netz setzen und Anreize für netzdienliches Verhalten (insbesondere Engpassmanagement) geben. Dabei sind verschiedene Marktdesigns theoretisch denkbar, die möglicherweise unterschiedliche Vor- und Nachteile für unterschiedliche Netzgebiete mit sich bringen.
    • Allerdings ist den betroffenen Akteuren (flexible Anlagen im vkw++) nicht klar, welchen Wert ihre Flexibilität hat, d.h. welche Höhe für Gebote abgegeben werden kann
    • Außerdem bestehen weitere Vorbehalte bezüglich der Vermarktung von Flexibilitätsprodukten insbesondere bezüglich des Zusammenspiels mit Produktionsplänen oder anderen Verpflichtungen der Anlagen.
    • Kernergebnis des Workshops ist, dass eine weitere Analyse bezüglich der Kosten und des Nutzens von regionalen Flexibilitäten durchgeführt werden muss, um ein Benchmark für Vergütungssätze abzuleiten.

  • Workshop 3 „Nutzen regionaler Flexibilität und Hemmnisse in der Netzentgeltsystematik“: In diesem Workshop wurden die in Workshop 2 aufgeworfenen Fragen bezüglich des Benchmarks für Vergütungssätze für regionale Flexibilität aufgegriffen. Außerdem wurden konkrete Hemmnisse für Flexibilitätsanbieter, die im Rahmen der Netzentgeltsystematik entstehen, diskutiert.

    • Ableitung eines Benchmarks: Um sich den Vergütungssätzen anzunähern, die Anlagen für die Erbringungen von Flexibilität erhalten sollten, muss zunächst der Wert der Flexibilität für das System quantifiziert werden. Dieser ergibt sich als Wert der Kosteneinsparungen durch die Nutzung der Flexibilität im Vergleich mit den Kosten ohne die Nutzung des vkw++. Dies wurde am Beispiel von Engpassbewirtschaftung diskutiert: Verglichen wurde hier mit den Kosten für Netzausbau und die Abregelung für Erneuerbare als Referenz. Die Kosten, die für die Flexibilitätserbringung durch das vkw++ entstehen (Infrastruktur und Vergütungen) sollten also nicht höher liegen als diese Kosten. Somit bilden die Referenzkosten die „Obergrenze“ für Vergütungen und andere Aufwendungen für das vkw++ im Sinne des volkswirtschaftlichen Nutzens. Weitere Anhaltpunkte für die mögliche Vergütung von Flexibilität bietet die betriebswirtschaftliche Analyse des vkw++: Die Erlöse müssen mindestens die Kosten der Flexibilitätsbereitstellung decken, dazu können auch Opportunitätskosten (mögliche Erlöse auf anderen Märkten) zählen. Eine solche Eingrenzung des Nutzens und der Kosten ist allerdings nur möglich, wo es ein vergleichbares Produkt bereits gibt. Der Nutzen des vkw++ liegt jedoch auch darin, dass es Transparenz und Planbarkeit für die Netzbetreiber erhöht und Systemdienstleistungen erbringt, für die aktuell kein Kostenbenchmark existiert (Blindleistung, Momentanreserve, Schwarzstartfähigkeit), so das Ergebnis der Diskussion.

    • Netzentgelte: Die Netzentgeltsystematik wird oft als Hemmnis für die Erbringung dezentraler Flexibilität durch Verbraucher genannt. Grund dafür ist, dass die Netzentgelte so konzipiert sind, dass sie den Beitrag eines Verbrauchers zur Jahreshöchstlast seiner Netzebene bepreisen. Dieser Ansatz soll eine Verursachergerechtigkeit bei der Kostenverteilung bewirken. Problematisch wird dabei gesehen, dass starre Schwellenwerte zu Fehlanreizen bezüglich der Erbringung von Flexibilität führen können, insbesondere wenn Lasterhöhung gefordert ist. Solche Flexibilität führt möglicherweise zu einer Erhöhung der Netzentgelte. Im Workshop wurden mögliche Anpassungen der Netzentgeltsystematik diskutiert. Von den Teilnehmenden des Workshops wurde argumentiert, dass Mehrkosten für die Flexibilitätsanbieter entweder erlassen oder anderweitig ausgeglichen werden sollten. Außerdem wurde die Verursachergerechtigkeit im Grundsatz thematisiert und die Frage gestellt, ob eine Bepreisung der Jahreshöchstlast hier noch die richtige Methode ist. Diskutiert wurde beispielsweise, ob auch die Einspeisung an den Netzkosten beteiligt werden sollte und wie Anreize für Eigenversorgung besser gesteuert werden können. Es wurde weiterhin debattiert, ob die Netzentgeltsystematik auch Vehikel für direkte Flexibilitätsanreize sein könnte. Als Schwierigkeit wurde gesehen, dass je nach Netzsituation die Definition von „Netzdienlichkeit“ variabel ist. Vor einer Reform der Netzentgelte bezüglich der Anreize für Verbraucher müsste also zunächst das gewünschte Verhalten näher konkretisiert werden.